6. Numerische Integration#
In diesem Abschnitt widmen wir uns der numerischen Integration, d.h. der numerischen Approximation bestimmter Integrale der Form \(\int_a^b f(x)\,\mathrm{d}x\).
Die numerische Integration ist insbesondere in solchen Fällen von Interesse in denen eine Stammfunktion sich nicht durch Elementarfunktionen ausdrücken lässt, eine numerische Auswertung der Stammfunktion zu komplex ist oder ein Integrand nur durch Messungen an endlich vielen Punkten bekannt ist. Sie hat daher vielfältige Anwendungen, insbesondere in höheren Dimensionen. Der Einfachheit halber beschränken wir uns in diesem Kapitel zumeist aber auf den eindimensionalen Fall.
Die grundlegende Idee der numerischen Integration ist es das Intervall \([a,b] \subset \R\) zu diskretisieren, d.h. in kleinere Teilintervalle aufzuteilen und das Integral durch die Lösung eines Ersatzproblems auf diesen Teilintervallen zu approximieren. Hierbei wird die Feinheit der Diskretisierung durch eine Schrittweite \(h > 0\) bestimmt, die entscheidend für die Güte der Approximation des Integrals ist, wie wir später feststellen werden. Wir gehen zunächst davon aus, dass die Stützstellen für die numerische Integration äquidistant gewählt werden und die Anfangspunkte \(a,b \in \R\) mit einschließen, d.h. wir diskretisieren das Intervall \([a,b] \subset \R\) wie folgt:
Die wichtigste Definition zur numerischen Approximation des bestimmten Integrals einer Funktion \(f\) ist im Folgenden gegeben.
Definition 6.1 (Quadraturformel)
Sei \(f \colon [a,b] \rightarrow \R\) eine integrierbare Funktion. Wir nennen eine gewichtete Summe der Form
eine Quadraturformel auf dem Intervall \([a,b] \subset \R\).
Die Punkte \(x_0, \ldots, x_n \in [a,b]\) werden Stützstellen genannt und die Koeffizienten \(w_0, \ldots, w_n \in \R\) sind Gewichte der Quadraturformel, die unabhängig von der zu integrierenden Funktion \(f\) sind.
Die wohl einfachste Quadraturformel ist im folgenden Beispiel illustriert.
Beispiel 6.1 (Mittelpunktsregel)
Für \(n=0\) erhalten wir das triviale Beispiel einer Quadraturformel, die sogenannte Mittelpunktsregel , als
Hierbei ist das einzige Gewicht \(w_0 \coloneqq (b-a)\) die Intervalllänge und der einzige Funktionswert \(f(x_0)\) wird am Mittelpunkt \(x_0 \coloneqq \frac{a+b}{2}\) des Intervalls ausgewertet. Man beachte, dass es für \(n=0\) nicht möglich ist das Intervall \([a,b] \subset \R\) entsprechend (6.1) zu diskretisieren. Dennoch besitzt die Mittelpunktsregel die Form einer Quadraturformel in Definition 6.1.
fig:mittelpunktsregel
visualisiert die Approximation des
Integrals einer Funktion mit Hilfe der Mittelpunktsregel.
ToDo
Bemerkung 6.1 (Quadraturformeln und Treppenfunktionen)
Wie man an Definition 6.1 und Beispiel 6.1 erkennt, werden in der Quadraturformel nur Funktionsauswertungen einer Funktion an \(n+1\) Stützstellen verwendet. Anschaulich bedeutet dies, dass man das bestimmte Integral einer Funktion durch eine Treppenfunktion approximiert, deren Plateaus durch die Funktionswerte \(f(x_i), i=0,\ldots,n\) festgelegt sind und deren Breite der konstante Teilstücke durch die Gewichte \(w_i, i=0,\ldots,n\) definiert werden.
Dies entspricht der grundlegenden Idee bei der Herleitung des Riemann-Integrals.
Bei der Konstruktion von Quadraturformeln sind einige strukturelle Eigenschaften von Quadraturformeln besonders interessant, zum Beispiel die Erhaltung der Nichtnegativität, d.h. \(I(f) \geq 0\) für nichtnegative Funktionen \(f\). Man sieht leicht ein, dass dies äquivalent zur Nichtnegativität der Gewichte \(w_i \in \R\) ist. Eine andere oft geforderte Eigenschaft ist die Erhaltung der Intervalllänge, d.h. \(I(\mathbf{1}) = b-a\) für die konstante Einsfunktion \(\mathbf{1}(x) \equiv 1\) für \(x\in [a,b]\).
Wir interessieren uns zunächst für eine mögliche Fehlerverstärkung bei der Berechnung von \(I(\tilde f)\), wenn \(\tilde f\) eine gestörte Version von \(f\) ist. Tatsächlich sind die beiden oben genannten Eigenschaften schon hinreichend für die Stabilität einer Quadraturformel, wie das folgende Theorem zeigt.
Satz 6.1 (Stabilität von Quadraturformeln)
Sei \(I:C([a,b]) \rightarrow \mathbb{R}\) eine Quadraturformel mit nichtnegativen Gewichten \(w_i \in \R, i=0,\ldots,n\) und \(I(\mathbf{1})=b-a\).
Für alle Funktionen \(f, \tilde f \in C([a,b])\), für die gilt
erhalten wir die folgende Abschätzung für den Fehler der Quadraturformel
Proof. Wegen der Nichtnegativität der Gewichte \(w_i, i=0,\ldots,n\) folgt direkt
Damit erhalten wir schon
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